Nach Schottland also! Die Koffer sind gepackt.

Dieser Bericht wird nicht so umfangreich und detailliert ausfallen, jedoch war meine Vorfreude vermutlich ähnlich groß wie die von Theodor Fontane, als dieser das erste Mal Schottland bereiste. Ich habe mich oft gefragt, wie man von einem Land fasziniert sein kann, ohne es je gesehen zu haben. Aber vermutlich ging es mir wie vielen anderen Whisky-Enthusiasten, die von dem schottischen Nationalgetränk so begeistert sind wie ich, dass diese Begeisterung sich auf Land und Leute überträgt. Aber ich musste es unbedingt einmal selbst gesehen haben. Die zahlreichen Bildbände, die ich immer wieder durchgeblättert und voller Fernweh dann wieder weggelegt habe, schafften keine Abhilfe. Im Gegenteil - der Wunsch, einmal selbst vor Ort zu sein und dieses geschichtsträchtige Land mit all meinen Sinnen aufzunehmen, wuchs und wuchs.

So fuhr ich mal wieder zu dem Whiskyhändler meines Vertrauens, Harry Hammelmann, nach Speyer, um mit ihm über die neuesten Abfüllungen zu plaudern. Harry kam gerade von einer Schottlandreise zurück und berichtete mir, dass er, zusammen mit seinem Geschäftspartner Hans Liebers, im Februar 2008 eine weitere Reise diesmal auf die Whiskyinsel schlechthin, auf Islay plane. Die Königin der Hebriden! - sofort wurde mir klar, das ist meine Chance und ich erklärte spontan meine Bereitschaft, mitzureisen. Die Reise sollte nur vier Tage dauern, aber gerade das kam mir sehr entgegen. Da ich beruflich sehr viel unterwegs bin, wollte ich meiner Familie eine weitere längere Abwesenheit nicht noch zusätzlich zumuten. Aber, wie sich später herausstellte, war meine Familie von der Idee der Reise nach Islay ebenso begeistert wie ich. Endlich hätte ich die Gelegenheit, ins das Land meiner Träume zu fahren und ich sollte diese nutzen. Ich bekam später sogar noch einen Gutschein für die Reise von meiner Frau geschenkt.

Dies ereignete sich im Herbst 2007 und die Zeit bis zum 24. Februar 2008, dem Tag unserer Abreise, verging nur sehr langsam. Ich nutzte sie, um mich mehr mit den Ileach, wie die Einwohner von Islay genannt werden, und natürlich mit den Brennereien auseinander zu setzen. Dem interessierten Leser sei hier das 2005 erschienene Buch „Peat Smoke and Spirit: A Portrait of Islay and its Whiskies“ von Andrew Jefford zu empfehlen, welches auf sehr unterhaltsame Art und Weise die Einwohner der Insel, das Land und deren Geschichte, sowie die sieben Destillerien vor Ort – Caol Ila, Bunnahabhain, Bowmore, Bruichladdich, Laphroaig, Lagavulin und Ardbeg – erzählt.

 

Sonntag, 24. Februar 2008:

Endlich ist der lang ersehnte Tag da. Treffpunkt ist 8:30 Uhr in Speyer. Neben Harry, Hans und ich, fährt noch Arnold mit, ein alter Bekannter von den beiden, der schon 2007 mit auf einer Schottlandreise war. Und los geht es mit dem Auto Richtung Flughafen Frankfurt. Am Terminal 2 bei British Airways eingecheckt, geht es mit etwas Verspätung gegen 11:45 Uhr bei strahlendem Wetter Richtung London Heathrow. Wir landen pünktlich um 12:15 Uhr Ortszeit dort. Gegen 14:30 Uhr geht es weiter nach Glasgow. Kurz vor 16 Uhr betrete ich zum ersten Mal in meinem Leben schottischen Boden. Das Flair in Glasgow, verglichen mit London, ist ganz anders. Natürlich ist der Flughafen kleiner, aber im Terminal wird zwischen den einzelnen Gates bereits Bier gezapft, von überall her ist Musik zu hören und alles wirkt irgendwie familiärer als in Heathrow. Den auf das schottische Wetter bezogenen Spruch „Four seasons a day“ bekomme ich gleich nach Ankunft demonstriert, als sich nach Sonnenschein plötzlich der Himmel total verdunkelt und nahezu waagrechter Regen einsetzt. Nach 10 Minuten ist wieder alles vorbei und ein beindruckender Regenbogen spannt sich über dem Rollfeld bis in den schottischen Himmel auf.

Gegen 17:15 Uhr wartet eine kleine, zweimotorige Propellermaschine darauf, uns zu unserem Ziel zu bringen - auf die Whiskyinsel Islay. Es gibt nur etwa 25 Sitzplätze in dem Flugzeug, die zwar nicht alle belegt sind, dennoch muss ich meinen Handkoffer abgeben, da dieser im Passagierraum keinen Platz hat. Ich sitze in der zweiten Reihe, direkt neben dem rechten Propeller. Um 17:25 Uhr hebt die Maschine unter beindruckendem Motorengeräusch ab. Wir fliegen in ca. 1000-2000m Höhe über die schottische Landschaft. Es kommt mir gar nicht so hoch vor, als unter mir Flüsse, Berge und Täler vorüberziehen. Eine atemberaubende Landschaft macht sich unter mir breit, ich klebe förmlich am kleinen Fenster und sauge alles in mir auf. Plötzlich meine ich, zwei etwa gleich hohe Bergspitzen ausfindig zu machen. Das müssen die Paps of Jura sein. Demnach muss also die nächste Insel Islay sein, da Jura die unmittelbare östliche Nachbarinsel von Islay ist. Und tatsächlich, wenige Augenblicke später sehe ich eine Gruppe weiß getünchter Häuser und in dicken, schwarzen Buchstaben, die selbst von oben noch gut erkennbar sind, lese ich – ARDBEG. Jetzt begreife ich – ich bin wirklich in Schottland! Danach kommen weiter westlich LAGAVULIN und zum Schluss LAPHROAIG. Über der nächsten Gruppe weißer Häuser steigt hellgrauer Rauch auf und auf der zum Wasser geneigten Wand eines der Gebäude steht PORT ELLEN. Das ist also die Mälzerei, in der für viele der nunmehr acht Destillerien ein Großteil der Gerste gemälzt wird. Offensichtlich ist die Kiln bei Port Ellen gerade im Betrieb.

Kurze Zeit später landen wir auf Islay Airport. Ein kleiner Flughafen zwar, aber mit viel Charme. Zu Fuß geht es die wenigen Meter von der Maschine zum Terminal. Innen drin fallen mir sofort die Glasvitrinen auf, welche einige der flüssigen Schätze von Islay werbeträchtig zur Schau stellen. Während wir unser Gepäck vom einzigen Laufband nehmen, hat Hans bereits den bestellten Mietwagen, einen roten Volvo S40 abgeholt. Auf dem Weg zum Auto merke ich erst jetzt, dass in der Luft ein vertrauter Geruch liegt – TORF! Mit dem Mietwagen geht es nach Norden Richtung Bowmore, der Hauptstadt von Islay. Wir fahren an der berühmten Rundkirche vorbei, passieren die Bowmore Destillerie und biegen vor dem Hafen rechts ab. Ausserhalb von Bowmore sieht man auf der gegenüberliegenden Seite des Loch Indaal bereits die Lichter von Bruichladdich und Port Charlotte. Aber es dauert noch ca. 25 Minuten, ehe wir den kleinen Ort Port Charlotte erreicht haben.

Mitten im Ort und direkt am Loch Indaal gelegen befindet sich das kleine, aber sehr gemütliche Port Charlotte Hotel. Mit seinen 10 Gästezimmern, von denen die meisten einen Blick auf das Meer bieten, der gemütlichen Lounge, dem vorzüglichen Restaurant und nicht zuletzt der gut bestückten Bar, zieht der Charme des Port Charlotte Hotel uns gleich in seinen Bann. Wir checken ein und verabreden uns wenige Minuten später in der Bar. Mit großen Augen stehe ich vor mehr als Hundert verschiedenen, nahezu alles Single Malt Abfüllungen ausschließlich von der Insel Islay. Ein Torffeuer knistert im offenen Kamin und erfüllt den Raum mit einem angenehmen Licht, behaglicher Wärme und einem süßlichen Duft nach Torf. Ich bestelle ein Pint Angus Og und Hans bringt zur Begrüßung vier Drams Black Bottle, dem vorzüglichen Blend, in dem alle sieben Whiskies der Insel vereint sind, an unseren Tisch. In der Bar können ebenfalls Snack und kleine Gerichte zum Essen bestellt werden. Tagessuppe und gegrillter Lachs sind jetzt genau das Richtige nach dieser doch langen Anreise. Endlich sind wir auf Islay und erst jetzt stellen wir fest, dass es für jeden von uns Vier die Premiere ist. Darauf einen Black Bottle. Nach dem vorzüglichen Abendessen genehmige ich mir noch einen Lagavulin 12 Jahre, die Originalabfüllung mit 58% Fassstärke. Damit lassen wir den Abend ausklingen und am nächsten Tag wartet Bruichladdich auf uns. Zu diesem Zeitpunkt konnte keiner von uns auch nur im Entferntesten erahnen, was uns am nächsten Tag bei Jim McEwan erwarten würde.

Montag, 25. Februar 2008:

Nach einer teils stürmischen, aber dennoch erholsamen Nacht geht es morgens zum Frühstück. Man kann wählen zwischen Rührei mit Speck, Pilzen, Schinken, Lachs, Bowmore Sausages und Kipper. Daneben gibt es Müsli, Marmelade und frisch getoastetes Weißbrot. Der Frühstücksraum bietet, wie die meisten Zimmer im Obergeschoss ebenso, einen tollen Blick auf Loch Indaal, auf dem die Wellen bereits ganz schön schaukeln. Wir fahren anschließend die paar Meilen nordwärts zu Bruichladdich. Durch die enge Einfahrt hindurch, findet man im Hof einen Parkplatz. Im Visitor Centre weiß man bereits, wer wir sind. Offenbar hat der Importeur von Harry gute Vorarbeit geleistet. Barbara McEwan begrüßt uns sehr herzlich und schenkt jedem von uns einen kleinen Dram zum Aufwärmen ein. Und das um 10 Uhr morgens! Aber wir haben ja gut gefrühstückt.

Wir beginnen die Tour mit dem Mahlen des Malzes, welches vom Festland kommt. Bruichladdich wird aber zunehmend von Farmern auf Islay direkt beliefert. Derzeit sind es bereits zwölf Farmen, die Bruichladdich mit der notwendigen Gerste versorgen. Im Gegensatz zu den anderen Destillerien auf Islay wird das Malz bei Bruichladdich mittels einer alten Holzmühle aus dem Jahre 1913 gemahlen. Weiter geht es zu den Mash Tuns – einem riesig großen, oben offenen Behälter, in dem ein krakenartiges Rührgerät den Grist, das gemahlene Malz, mit Wasser verrührt. Daneben befinden sich die aus Holz bestehenden Wash Backs, in denen die Fermentation der zuckerhaltigen Lösung, der Wash, mittels Hefe abläuft. Während der Deckel kurz geöffnet wird, um das schäumende Gebräu von oben beobachten zu können, sehe ich den Gang entlang zum Still House hinüber, in dem ich einen Mann mit gelber Signalweste zwischen den einzelnen Brennblase und vor dem Spirit Safe stehen sehe.

Und ich erkenne ihn sofort. Es ist Jim McEwan. Er sieht zu uns herüber und kommt gleich auf uns zu, begrüßt uns sehr herzlich und stellt uns Neil vor, einem der Chef Distiller bei Bruichladdich. Wir folgen den beiden ins Still House, in dem sich jeweils ein Paar Wash- und Spirit Stills befinden. Im Spirit Safe läuft gerade glasklar und auffällig langsam der Middle Cut durch das mittlere Auffanggefäß. Davor steht ein Schild mit der Aufschrift „Organic“. Wir sind gerade Zeugen der Geburt eines neuen Whiskys geworden. Neil und Jim stellen sich jeweils auf die Seite des Spirit Safe und öffnen zu unser aller Verwunderung des schwere Vorhängeschloss mit einem Schlüssel, ziehen den langen Verschlussbolzen heraus und öffnen die Klappe des Spirit Safes. Wir können es kaum glauben, hätten wir es nicht mit eigenen Augen gesehen. Normalerweise darf der Spirit Safe nur von einem Zollbeamten geöffnet werden; hier bei Bruichladdich ist es anders. Hier ist vieles anders! Jim gibt Hans ein Glencairn Glas in die Hand und fordert ihn auf, eine Probe des Middle Cuts abzufüllen. Der Brand ist glasklar, farblos und hat eine äußerst ölige Konsistenz. Wir probieren vorsichtig, da das Destillat immerhin gute 70% Alkohol hat. Zu meinem Erstaunen schmeckt es sehr fruchtig. Jim erklärt uns die Funktion der Öle im Alkohol, das Geheimnis der langsamen Destillation („Wir sind nicht in Eile, haben keine ausländischen Bosse im Nacken, verkaufen nicht an Blending Companies und lassen uns daher viel Zeit beim Destillieren“). Wir machen noch einige Gruppenfotos, verabschieden uns von Neil, der den Spirit Safe wieder gewissenhaft schließt und folgen Jim über den Hof in ein niedriges Gebäude, welches von außen wie ein Lagerhaus aussieht.

Drinnen angekommen befinden wir uns im Warehouse von Bruichladdich. Hier ruhen die Schätze in diversen Eichenfässern, bis sie auf dem Höhepunkt ihrer Reife in Flaschen abgefüllt und in die Welt hinaus verschickt werden. Jim hat einen kupfernen Valinch und einen überdimensionalen Korkenzieher bei sich, mit dem er das erste Fass öffnet und eine Probe des dunkelgefärbten Inhalts ins Glas füllt. Wir bekommen alle einen gut dimensionierten Dram in unser Glas und kosten. Der Whisky schmeckt phantastisch. Dann lenkt er unsere Aufmerksamkeit auf einen vierfach destillierten New Spirit, der sich bereits seit 18 Monaten in einem Sherry Fass befindet. Jim  erzählt uns, dass er eines Abends im Still House die Idee hatte, einen vierfach destillierten Whisky zu kreieren, wie es bereits vor gut 200 Jahren auf Islay gar nicht so unüblich war. Mit einer Probe und der Warnung von Jim, dass dieser Spirit noch gut 88% Alkohol besitzt, probieren wir das nahezu schwarze Destillat. Es schmeckt vorzüglich, gar nicht so scharf wie erwartet. Nun blüht Jim so richtig auf. Er merkt, dass wir sowohl Ahnung von der Materie haben als auch Begeisterung für schottische Single Malts mitbringen und springt von einem Fass zum anderen, öffnet dieses und füllt uns eine Probe ab. Wir probieren verschiedene Finishes aus Sherry-, Syrah- und Château d’Yquem-Fässern, einige Murry McDavid Abfüllungen, Blacker Still und den neuen PC7. Nach 12 Einzelfass-Abfüllungen habe ich es aufgegeben, mitzuzählen. Barbara versorgt uns zwischendurch immer wieder mit Wasser, um unsere mittlerweile doch arg strapazierten Geschmacksknospen auf das nächste Abenteuer vorzubereiten, während draußen der Regen lautstark auf das Blechdach prasselt. Nach geschätzten 45 Minuten im Warehouse geht es noch kurz zur hauseigenen Abfüllanlage und zur Verpackungsstation. Tief beeindruckt geht es nach großer Verabschiedung von Jim, der sich auf dem Weg nach Glasgow zu einer Whiskyveranstaltung machen muss, mit Barbara wieder zurück ins Visitor Centre. Hier haben wir die Gelegenheit, den Valinch, eine hauseigene Single Cask Abfüllung, direkt aus dem Eichenfass in eine 0,5l Flasche abzufüllen und selbst zu etikettieren. Natürlich macht jeder von uns von dieser einmaligen Gelegenheit Gebrauch, zumal Barbara dann noch jede Flasche zum Andenken signiert. Nach einigen Abschlussfotos und einem Dram PC6 geht nach herzlicher Verabschiedung weiter Richtung Bowmore.

Im Auto ist es still, da wir offensichtlich alle von diesem Ereignis und den vielen Eindrücken noch total überwältigt sind. Wir parken in Bowmore am Hafen und beschließen, erst einmal ein Mittagessen zu uns zu nehmen, da die Warehouse Tour mit Jim uns doch sehr hungrig gemacht hat. Das Harbour Inn macht von außen einen guten Eindruck und wir beschließen hineinzugehen. Das Restaurant ist sehr schön am Loch Indaal gelegen, bieten einen tollen Blick auf die Bucht und wartet ebenfalls mit einer großzügigen Auswahl an Islay Single Malts, von denen wir aber aus verständlichen Gründen Abstand nehmen. Seafood Chowder und gegrillter Fisch bringen uns wieder auf die Beine. Gut gestärkt gehen wir die paar Meter über den Parkplatz zu Bowmore.

Die Destillerie liegt wie alle, außer Kilchoman, direkt am Wasser. Nach Anmeldung und kurzer Wartezeit geht es für uns Vier auf die Tour. Neu für uns sind die Malting Floors und der Kiln Ofen, in dem gerade einzelne Torfballen vor sich hinglimmen und ordentlich Rauch erzeugen. Bowmore stellt das Malz für den eigenen Bedarf selbst her. Bis hierhin dürfen wir noch Fotos machen, ab dem Mahlprozess bis hin zum Still House ist fotografieren verboten – aus welchen Gründen auch immer. Für uns jedenfalls nicht nachvollziehbar. Obwohl das Erlebnis bei Bruichladdich nur schwer zu toppen war, ist diese Führung ausgesprochen lustlos durchgeführt und damit ein extremer Kontrast zum Vormittag. Unser weiblicher Guide scheucht uns regelrecht von einem Prozessschritt zum nächsten. Alles, was man versteht ist „Next“. Am Ende dürfen wir noch einen Blick durch ein kleines Glasfenster ins Warehouse werfen, bevor es wieder zurück ins Visitor Centre geht. Diese Tour hat keine 20 Minuten gedauert. Zurück im Visitor Centre bekommen wir vier Flaschen hingestellt – die Feis Isle Abfüllung von 2007 (ein 7-jähriger Bowmore), einen Bowmore 16 Jahre Sherry Cask, den 17-Jährigen und schließlich noch den 25-Jährigen. Unser Guide verschwindet mit den Worten: „Slàinte“. Wir kosten die Drams und verlassen dann die Destillerie. Wir sind uns alle einig: Bowmore kommt nicht auf unsere Empfehlungsliste! Die schlechte und äußerst lustlos vorgetragene Tour hat einen faden Beigeschmack bei uns hinterlassen.

Wir kaufen im ortsansässigen Supermarkt noch ein paar Getränke ein und fahren dann wieder zurück ins Port Charlotte Hotel. Dort angekommen, wird erst einmal Siesta gemacht und wir treffen uns später zum Abendessen wieder im Pub. Wir sprechen noch sehr lange bei einem guten Dram über das Erlebnis bei Bruichladdich und in der Nacht lasse ich mich von dem Rauschen des Meeres in den Schlaf wiegen.

 

Dienstag, 26. Februar 2008:

Nach einer sehr erholsamen Nacht und einem fast schon gewohnt guten schottischen Frühstück machen wir uns auf den Weg in den Südosten der Insel, um die drei dort ansässigen und in Betrieb befindlichen Destillerien zu besuchen. Nach gut 40 Minuten Fahrzeit erreichen wir Port Ellen und machen kurz Pause am sandigen Strand in der Ortsmitte. Offensichtlich war die Nacht sehr stürmisch, da neben grünem Seegras ein kleiner Katzenhai reglos im Sand liegt. Auch jetzt ist es wieder äußerst windig und Sonne und dunkle Wolken wechseln sich am Himmel ständig ab.

Wir fahren ein paar Meilen weiter Richtung Osten und sehen auf der linken Seite eine große Wiese mit einigen Fähnchen darauf und einem Hinweisschild, dass hier die Friends of Laphroaig ihr gepachtetes Stückchen Land finden können. Rechts ist eine Gruppe von weißen Häusern mit den typischen schwarzen Pagodendächern. Obwohl ich noch nie zuvor dort war, kommt mir alles sehr vertraut vor, da ich diese Destillerie von vielen Bildern her kenne. Laphroaig – einer meiner Lieblingswhiskys. Wir gehen zur Anmeldung, um die Tour um 10:15 Uhr mitzumachen. Der Guide sieht uns an und meint dann, dass um 10:15 keine Tour stattfindet, sondern erst um 14:15 Uhr. Wir sollten dann wieder kommen. Offensichtlich hatte er keine Lust, schon so früh zu arbeiten oder wir waren einfach zu wenige, als dass es sich gelohnt hätte, für diese Handvoll Leute eine Führung zu machen. Wie dem auch sei, wir waren ziemlich enttäuscht und fragten, ob man wenigstens den Shop für uns aufschließen würde. Dieser Aufforderung kommt man dann nach einigen Minuten nach. Leider sind dort nur die gängigen Standardabfüllungen käuflich zu erwerben. Keine von mir erhoffte Flasche mit der Feis Isle Abfüllung von 2007 ist vorhanden. Ich kaufe mir einen Laphroaig Wasserkrug und nach einigen Fotos ausserhalb der Destillerie fahren wir doch sehr enttäuscht weiter zu Lagavulin.

Nach einigen Meilen erreicht man einen Häuserkomplex mit großer schwarzer Aufschrift davor: Lagavulin. Der kleine Bach, der an dem Gebäude vorbei ins Meer fließt, führt klares, von Torf braun gefärbtes Wasser mit sich. Eine kleine Geschmacksprobe lässt jedoch keinen Hinweis auf Torf erkennen. Im Besucherzentrum melden wir uns für die nächste Tour an. Die Friends of Classic Malts bekommen gegen Vorlage ihres Ausweises die Tour kostenlos. Im Vorraum sind einige Abfüllungen von Lagavulin zu finden, daneben auch einige andere Flaschen von Destillerien des Großkonzerns Diageo. Kurze Zeit später beginnt die Tour mit uns Vieren und drei Amerikanern. Es beginnt wieder mit dem Mahlprozess des Malzes, welches von der Tochterfirma, den Port Ellen Maltings, geliefert wird. Neu ist die Tatsache, dass wir hier die Möglichkeit haben, die nach der Fermentation in den Wash Backs entstandene alkoholische Lösung zu probieren. Wer jemals in den Genuss eines Bamberger Rauchbieres kam kann sich vorstellen, wie das Gebräu geschmeckt hat. Nach Bier mit stark rauchiger und torfiger Note. Ungewöhnlich, aber eigentlich ganz lecker. Nach Besichtigung des Still House geht es mit einem flüchtigen Blick von außen auf das Warehouse in einen Salon, in dem man die Wahl zwischen drei verschiedenen Abfüllungen hat: Lagavulin 16J, 12J Cask Strength und die Distillers Edition. Der Salon ist schön mit antiken Möbelstücken und braunen, tiefen aber sehr bequemen Ledersesseln ausgestattet. An der gemauerten Wand hängen diverse Bilder mit Islay-Motiven. Hier kann man es sich bei einem Dram Lagavulin gut gehen und die Seele baumeln lassen. Ich bin positiv von der Tour überrascht, da ich bei einem Großkonzern wie Diageo eher eine Tour erwartet hätte, wie wir sie bei Bowmore erlebt haben. Nein, das hier war richtig gut. Wir machen bei eintretendem Regen noch schnell ein paar Fotos von der Destillerie und fahren dann weiter zu unserer dritten Station: Ardbeg.

Nach ein paar Meilen hat man rechts einen schönen Blick auf die weißen Häuser mit den Pagodendächern darauf und im Hintergrund das dunkelblaue Meer. Genau wie auf den Fotos, die ich in den zahlreichen Magazinen und Bildbänden zuhause gesehen habe. Nur das hier live! Live ist auch der Regen, welcher plötzlich einsetzt. An der Hofeinfahrt steht eine ausrangierte Brennblase von Ardbeg. Hier kann man mal sehen wie groß diese wirklich sind, da man im Still House immer nur den oberen Teil davon zu Gesicht bekommt. Die wenigen Meter vom Parkplatz zum Eingang des Visitor Centres reichen aus, um bei nahezu waagrechtem Regen ziemlich nass zu werden. Das Visitor Centre beinhaltet neben einem Shop auch ein Cafe, dessen Speisen auf der ganzen Insel gelobt werden. In der Tat schmecken die Soup of the day und ein Sandwich wirklich lecker und geben wieder Kraft für die anstehende Tour. Laut Emma, der Bedienung im Cafe, soll diese aber erst in einer Stunde stattfinden, da momentan im Cafe sehr viel Betrieb ist.

Wir beschließen kurzerhand, die Zeit zu nutzen und weiter Richtung Kildalton Cross zu fahren. Die gut sechs Meilen bis dahin erweisen sich mit dem Auto als äußerst abenteuerlich. Die Straße wird bedrohlich enger und es geht zum Teil sehr steil bergab und wieder bergauf. Am Ende erreicht man die Ruine von Kildalton Church und eines der zwei auf Islay noch existierenden keltischen Kreuze – Kildalton Cross. Das Alter dieses beeindruckenden und mit Gravuren verzierten Steinkreuzes wird auf über 1000 Jahre geschätzt. Plötzlich kommt die Sonne hinter den dunklen Wolken hervor und taucht diesen friedlichen Ort in ein geradezu mystisches Licht. Nach ein paar Fotos geht es wieder denselben abenteuerlichen Weg zurück zu Ardbeg.

Jetzt erstrahlt das Gebäude mit dem Old Kiln Cafe im Sonnenlicht und die Pagoden streben dem tiefblauen Himmel entgegen. Ein tolles Bild. Wie versprochen, beginnt nun die Tour für uns Vier. Emma, die Bedienung des Cafes, übernimmt auch diese Führung. Sie ist sehr nett und plaudert ein bisschen aus dem Nähkästchen. Sie scheint doch sehr frustriert über die gegenwärtige Situation bei Ardbeg zu sein. Emma erzählt uns, dass hier 9 Leute im Dreischichtbetrieb 7 Tage die Woche arbeiten. Es gibt drei Brennmeister, je einen pro 8-Stunden Schicht. Fällt einer z.B. wegen Krankheit aus, so wird eben im Zwei-Schicht-Betrieb á 12 Stunden gearbeitet. Es fällt deutlich auf, dass niemand bei Ardbeg auch nur ein Lächeln auf den Lippen hat. Ein völlig anderes Arbeitsklima verglichen mit dem, was wir einen Tag zuvor bei Bruichladdich kennengelernt haben. Nach einem Blick ins Still House, in dem nur eine Wash- und eine Spirit-Still stehen, geht es bei wieder einsetzendem Regen und starkem Wind über den Hof zurück ins warme und trockene Visitor Centre, in dem sich nur noch ein paar Personen aufhalten. Emma meint, wir hätten bei diesem Wetter einen besonderen Dram verdient und holt aus einem versteckten Schrank ein ganz besonderes Schätzchen hervor. Einen Ardbeg Single Cask, 31 Jahre alt, destilliert im Jahr 1975, mit immerhin noch 54,2% Alkohol und signiert von Stuart Thomson, dem kürzlich ausgeschiedenen Destillerie Manager von Ardbeg. Ich koste diesen mahagoni-farbenen Whisky und der ist wirklich ein Erlebnis. Irgendwie habe ich nach dieser Tour so meine Zweifel, ob Ardbeg jemals wieder solch einen tollen Tropfen herstellen wird, bzw. ob man sich dort die Zeit nehmen wird, so lange darauf zu warten. Wir verabschieden uns von Emma und von Ardbeg und beschließen, dass wir nach dieser doch eher deprimierenden Stimmungslage eine Aufheiterung notwendig haben. Und die, da sind wir uns alle einig, bekommen wir bei Bruichladdich!

Also geht es wieder über Port Ellen und Bowmore dorthin zurück. Im Visitor Centre werden wir gleich wieder erkannt und sehr herzlich begrüßt. Der unmittelbaren Aufforderung, einen kostenlosen Dram Bruichladdich 3D3 zu nehmen, kommen wir gerne nach. Eine völlig konträre Welt zu Ardbeg erschließt sich uns hier. Herzlichkeit, Freude, Lachen und der Spaß an der Arbeit. Wie schön, nicht fremdgesteuert zu sein. Im Visitor Centre treffen wir auch die drei Amerikaner wieder, denen wir bei Lagavulin den Tipp gegeben haben, doch eine Tour bei Bruichladdich zu buchen. Wir machen noch ein paar Einkäufe im Shop und fahren dann wieder gut gelaunt zurück nach Port Charlotte.

Der Wind hat mittlerweile enorm zugenommen und wir beschließen, weiter südwestlich bis zur Küste nach Portnahaven zu fahren, um das Wellenschauspiel auf dem Meer zu beobachten. Und in der Tat bietet sich draußen auf dem Meer ein tolles Naturschauspiel, bei dem sich die haushohen Wellen an den vorgelagerten Felsen brechen. Zudem kommen vereinzelt Sonnenstrahlen hindurch und tauchen das Schauspiel in ein gelbes, weiches Licht. Wir machen tolle Bilder und fahren noch etwas weiter westlich bis an den Rand der Küste. Dort kommen uns Schaumkronen entgegengeflogen und der Wind peitscht uns die Gischt ins Gesicht. Harry, der nun wahrhaftig nicht gerade ein Leichtgewicht ist, hat doch einige Schwierigkeiten, sich gegen den Wind zu stemmen, um nicht fortgeweht zu werden. Tief beeindruckt von diesen Naturgewalten und gut durchgepustet geht es dann wieder zurück ins Hotel.

Wir beschließen, am letzten Abend unser Dinner im Restaurant einzunehmen. Ein Bruichladdich 18J am Torffeuer genossen, wärmt und tut nach dem kalten Wind draußen wirklich gut. Kurze Zeit später werden wir von dem Kellner in die Lounge gebeten. Er nimmt die Bestellung auf und wir vertreiben uns die Wartezeit mit einem weiteren Dram. Nach ca. 20 Minuten werden wir ins Restaurant gebeten. Der Tisch ist toll eingedeckt und der Service ist vorzüglich - british zurückhaltend, aber sehr aufmerksam. Das Essen schmeckt herrlich und wir lassen einen weiteren ereignisreichen Tag bei einem letzten Dram im Pub ausklingen.

Mittwoch, 27. Februar 2008:

Am nächsten Tag ist die See ruhig und spiegelglatt. Die Sonne kommt hervor und die Bucht von Loch Indaal erscheint in einem ganz anderen Licht als die Tage zuvor. Wir lassen uns unser letztes schottisches Frühstück wieder gut schmecken und checken dann aus. Etwas wehmütig verlassen wir unser Domizil in Port Charlotte und fahren zurück Richtung Islay Airport.

Kurze Zeit später landet die zweimotorige Propellermaschine, die uns zurück nach Glasgow bringen wird. Während wir in der Abflughalle, die gleichzeitig die Ankunftshalle darstellt, warten, kommt uns plötzlich Jim McEwan entgegen. Offensichtlich ist er gerade von seinem Kurztrip aus Glasgow zurückgekehrt und kommt direkt auf uns zu. Er erkennt uns sofort wieder, begrüßt uns sehr herzlich und plaudert ein wenig mit uns. Er bittet uns, in Deutschland Werbung für Islay und den Whisky zu machen, dass noch mehr Touristen den Weg hierher finden mögen. Zum Schluss tauschen wir noch Visitenkarten aus und verabschieden uns von ihm. Erst jetzt bemerke ich, dass ein paar Meter neben mir einer der drei Amerikaner ebenfalls in der Abflughalle sitzt und unser Treffen mit Jim offenbar erstaunt zur Kenntnis genommen hat. Auf seine Frage hin „Du kennst Jim McEwan?“ antworte ich „Sure! – Klar!“.

Wenig später besteigen wir das kleine Flugzeug und verlassen mit lautem Gedröhne Islay. Noch ein kurzer Blick auf Loch Indaal und wenige Augenblicke später auch auf die drei Destillerien im Süden der Insel kommt mir langsam die Gewissheit, das war Islay. Pünktlich in Glasgow angekommen, habe ich noch genügend Zeit ein paar Souvenireinkäufe für meine Frau und die Kinder zu tätigen. Pünktlich geht es dann in einer Boeing 757 von Glasgow nach London Heathrow und ich genieße noch die letzten Minuten über schottischen Boden und bin felsenfest davon überzeugt, bald wieder zu diesem atemberaubenden Fleckchen Erde zurückzukommen. Meine Erwartungen von Land und Leute wurden jäh übertroffen und das Fernweh nagt bereits an mir.

Schottland – ich komme wieder!