Im dritten Teil haben wir die Bearbeitung der Eichendauben auf ihrem Weg zu einem Reifefass für Whisky betrachtet. Dabei stand der Einfluss von Feuer, insbesondere die Art und die Dauer der thermischen Behandlung des Holzes, sowie die dadurch ausgelösten chemischen Veränderungen der Inhaltsstoffe im Eichenholz im Vordergrund. Im letzten Teil dieser Artikelserie sollen einige der wichtigsten chemischen und physikalischen Prozesse interessieren, die während der jahrelangen Reifung im Eichenfass mit den unterschiedlichsten Komponenten von Holz und Destillat ablaufen.
Der Einfluss der Reifung auf den Whisky ist sehr ausgeprägt, da der rohe, farblose, unreife Spirit in der Regel nur wenige der wünschenswerten Eigenschaften aufweist, die für das Aroma und den Geschmack des bernsteinfarbenen Whiskys erforderlich sind. Die Reifung in Eichenfässern erfolgt langsam und daher über viele Jahre hinweg. Zu den Mechanismen, die an dieser Fassreifung beteiligt sind, zählen folgende Abläufe:
Dem Reifungsprozess wird daher eine große Bedeutung zugeschrieben. Experten schätzen, dass vom endgültigen Geschmack des Whiskys etwa 50 bis 80 Prozent auf den Einfluss des Eichenfasses während der jahrelangen Reifung zurückzuführen sind. Doch man darf hier keine Wunder erwarten. Ein qualitativ schlechtes Destillat mit vielen Fehlnoten wird selbst in den besten Fässern nicht zu einem hervorragenden Whisky heranreifen. Umgekehrt kann aus einem sehr guten New Make durch Reifung in einem Eichenfass von minderer Qualität, das beispielsweise mit Schimmelpilzen kontaminiert ist, bestenfalls ein mittelmäßiger Whisky entstehen. In beiden Fällen gilt: Die Qualitätsansprüche müssen stets sehr hoch sein.
Reaktion mit Sauerstoff
Über die mikroskopisch feinen Poren des Eichenholzes sowie die winzig kleinen Lücken zwischen dem Spundloch und den Dauben gelangt Luftsauerstoff von außen in das Fass. Sauerstoff spielt eine wichtige Rolle bei der Reifung, denn seine Anwesenheit ist für eine Fülle von chemischen Reaktionen verantwortlich. So fördert die Oxidation mit Sauerstoff die Komplexität und Intensität angenehmer Aromen im gereiften Whisky, insbesondere die zarten, fruchtigen und gewürztönigen Noten. Mit Hilfe von Sauerstoff werden die im Eichenholz natürlich vorkommenden, wasserlöslichen (hydrolysierbaren) Tannine, die in Gegenwart von Wasser, Ethanol und Säure weiter zu kleineren Einheiten abgebaut werden können, mit Hilfe von katalytischen Mengen an Kupferionen aus der Brennblase zu einer farbigen Substanzklasse, den Chinonen, oxidiert. Chinone haben eine bräunliche Farbe und leisten einen signifikanten Beitrag zur Gesamtfarbe des gereiften Whiskys. Bei dieser Oxidationsreaktion der wasserlöslichen Tannine zu Chinone wird Wasserstoffperoxid freigesetzt; eine hoch reaktive Substanz, die beispielsweise in der Industrie als Bleichmittel Verwendung findet und in der Kosmetik zum Blondieren von Haaren eingesetzt wird. Wasserstoffperoxid ist selbst ein starkes Oxidationsmittel und in der Lage, Alkohole zu oxidieren. Dabei entsteht eine neue aromagebende Verbindungsklasse, die sogenannten Aldehyde. Der im Destillat mit Abstand in größten Mengen vorkommende Alkohol ist der Trinkalkohol Ethanol. Wie mit dem Oxidationsmittel Sauerstoff wird Ethanol auch mit Wasserstoffperoxid zu Acetaldehyd oxidiert, der ein stechendes Aroma aufweist. Acetaldehyd ist ebenfalls ein reaktionsfreudiges Molekül, das mit weiterem Ethanol eine neue Verbindung bildet: das Acetal. Diese chemische Substanz weist einen zarten, etherischen Duft auf und gilt oft als Kopfnote gereifter Whiskys. Neben der Reaktion mit Ethanol kann Acetaldehyd mit Sauerstoff weiter zu Essigsäure oxidiert werden. Essigsäure zählt zur Klasse der organischen Säuren, die als Ausgangsstoffe für eine enorm wichtige Stoffklasse in der Aromatik gereifter Spirituosen dienen: die Ester. Neben Ethanol werden auch andere, von der Hefe während der Gärung produzierte Alkohole – wie die Fuselöle – zu den entsprechenden Aldehyden und weiter zu Säuren oxidiert und bilden so eine Vielzahl von Verbindungen, die alle im endgültigen Geschmacksspektrum des gereiften Whiskys enthalten sein können. Diese Ausführungen heben die enorme Wichtigkeit der wasserlöslichen Tannine hervor, da sie als Katalysatoren für zahlreiche oxidative Reaktionen während der Fassreifung dienen. Fehlen diese, so finden deutlich weniger Oxidationsprozesse im Fass statt. So stellte man fest, dass alte, gebrauchte Fässer ihre oxidativen Eigenschaften weitgehend verlieren, da die hydrolysierbaren Tannine bereits durch die vorangegangenen Füllungen aus den Dauben herausgelöst wurden und somit nicht mehr zur Verfügung stehen.
Ester – Stars in der Whiskywelt
Sauerstoff ist wichtig für die Veresterungsreaktionen im Fass, da mit seiner Hilfe – wie eben beschrieben – durch Oxidationsreaktionen aus Alkoholen organische Säuren entstehen, die dann in den Prozess der Esterbildung einfließen. Eine weit verbreitete Säure im Whiskyproduktionsprozess, deren Menge während der Reifung ansteigt, ist die Essigsäure. Wie wissenschaftliche Studien belegen, wird der größte Teil an Essigsäure aus Holzextrakten – durch den thermischen Abbau von der Hemicellulose im Holz während des Toastens oder Auskohlens der Fässer – gebildet. Denn die Hemicellulose besteht nicht aus nur einer Sorte Zucker, sondern ist aus unterschiedlichen Zuckermolekülen aufgebaut. Einige der freien OH-Gruppen (= Hydroxygruppen) dieser Zuckerbausteine sind chemisch mit Essigsäure verbunden (= Acetylgruppen), die bei der thermischen Behandlung der Dauben freigesetzt wird. Essigsäure ist besonders wichtig; nicht so sehr direkt, sondern wegen ihrer indirekten Auswirkungen auf den Spirit, da sie Veresterungsreaktionen eingeht. Denn wie alle organischen Säuren reagiert auch die Essigsäure mit Alkoholen zur Verbindungsklasse der Ester. Vereinfacht kann man sich Ester wie einen Zwei-Komponenten-Klebstoff vorstellen. Komponente 1 (Säure) verbindet sich mit Komponente 2 (Alkohol) und härtet unter Verdrängung von Wasser als Gemisch (Ester) aus. Diese Gleichgewichtsreaktion wurde erstmals Ende des 19. Jahrhunderts von dem deutschen Chemiker Emil Fischer beschrieben und ist daher auch unter dem Namen „Fischer-Veresterung“ bekannt. Die Ester sind maßgeblich für die attraktiven Fruchtaromen im Whisky verantwortlich. Vorrangig werden sie während der alkoholischen Gärung von der Hefe gebildet. Über 100 verschiedene Ester wurden dabei identifiziert. Zudem entstehen Ester auch während der Destillation in den kupfernen Pot Stills, wenn sich flüchtige Säuren und Alkohole in den aufsteigenden Dämpfen auf der Kupferoberfläche miteinander verbinden. Ester sind maßgeblich für den fruchtigen Geruch und Geschmack eines New Make verantwortlich. Zu guter Letzt findet die Fischer-Veresterung auch während der jahrelangen Reifung im Eichenfass durch Reaktion von unterschiedlichen Säuren mit Alkoholen statt. Je nachdem welche Säure dabei mit welchem Alkohol reagiert, können Ester mit unterschiedlichen Fruchtaromen gebildet werden. So entsteht aus Essigsäure und dem Alkohol Butanol ein Ester, der einen fruchtigen Geruch nach Birne und Banane besitzt, während sich Ameisensäure und Ethanol zu einem Ester mit ausgeprägtem Rumaroma verbinden. Beeindruckend und erstaunlich zugleich ist das Ergebnis aus der Reaktion von Buttersäure – einer chemischen Flüssigkeit mit penetrantem Geruch nach saurer Milch, ranziger Butter und frisch Erbrochenem – mit Ethanol. Dabei bildet sich Buttersäureethylester, welcher ein intensives tropisches Aroma nach frischer Ananas besitzt. Ebenso entsteht durch Reaktion von Valeriansäure, die einen wenig attraktiven Geruch nach Stallmist aufweist, mit dem Alkohol Pentanol ein Ester mit Duft nach roten Äpfeln. Dies lässt sich mit einer Fülle von Säuren und Alkoholen beliebig fortsetzen, und jedes Mal kommen verschiedene Fruchtnoten zum Vorschein. So entstehen Ester mit Aromen von Himbeere (Ameisensäure und Butanol), Banane (Buttersäure und Isobutanol), Brombeere (Salicylsäure und Butanol), Kokos (Octansäure und Propanol), Pfirsich (Propansäure und Pentanol) oder reifer Birne (Essigsäure und Amylalkohol). Naturgemäß ist der aus Essigsäure und Ethanol gebildete Essigsäureethylester der am häufigsten gefundene Ester im Whisky. Essigsäureethylester, auch Ethylacetat genannt, ist ein Indikator für die Reifung, da er kontinuierlich im Fass gebildet wird und seine Konzentration dadurch stetig ansteigt. Während Ethylacetat in geringen Mengen ein fruchtiges, an grüne Äpfel erinnerndes Aroma verbreitet, können mit zunehmendem Alter des reifenden Destillats die Mengen an diesem Ester einen Bereich erreichen, bei dem ein intensiver, bisweilen unangenehmer Geruch nach Klebstoff entsteht. Zusammengefasst stellen die fruchtigen Ester eine faszinierende Verbindungsklasse dar und sind aufgrund ihrer höchst angenehmen Aromatik die unbestrittenen Stars in der Whiskywelt.
Ligninabbau durch Ethanolyse
Einige der wichtigsten Extraktstoffe, die dem reifenden Destillat im Holzfass auf natürliche Weise zugesetzt werden, sind die Abbauprodukte des Holzbestandteils Lignin. Der Abbau von Lignin erfolgt im Wesentlichen auf zwei Arten. Zum einen durch die Wärmebehandlung – Toasten und Auskohlen – im Fass, auf die bereits in Ausgabe #56 detailliert eingegangen wurde. Der zweite Weg ist die sogenannte Ethanolyse. Darunter versteht man den Abbau von Lignin durch Ethanol, wobei eine alkohollösliche Form des Lignins entsteht. Bei der Ethanolyse handelt es sich um einen langsamen Prozess, der vermutlich während der gesamten Reifezeit im Fass stattfindet. Durch das Toasten beziehungsweise Verkohlen des Fassinneren werden die entstandenen Abbauprodukte des Lignins von der Oberfläche in das Destillat extrahiert. Das verbleibende, intakte Lignin wird bei der Ethanolyse durch das Ethanol aus den inneren Holzschichten gelöst, an die Oberfläche transportiert und dort in das Destillat aufgelöst. Bedingt durch die Öffnung und Rissbildung des Holzes während der Verkohlung kann Ethanol bis zu einer Tiefe von fünf Millimeter in die Eichendauben eindringen und auf diese Weise etwa fünf Prozent des intakten Lignins durch Ethanolyse abbauen. Wenn Lignin einer Ethanolyse unterzogen wird, entstehen – wie beim Toasten und Verkohlen der Dauben – Sinapylalkohol, Coniferylalkohol und 4-Cumarylalkohol, aus denen durch Folgereaktionen eine Vielzahl an wichtigen aromatischen Verbindungen gebildet werden, die mit der Zeit ins reifende Destillat übergehen. Zu nennen ist zum einen das Vanillin, das aus dem Coniferylalkohol gebildet wird. Dieser Hauptaromastoff der Vanille ist in jedem fassgereiften Whisky enthalten. Vanillin vermittelt Süße sowie eine cremige Textur und trägt so zum Mundgefühl des späteren Whiskys bei. Aus Lignin entsteht auch Guajacol; eine aromatische Verbindung, die der reifenden Spirituose subtile Raucharomen verleiht. Andere aus Ligninabbau gewonnene Substanzen stechen durch bestimmte blumige Aromen sowie Nelkennoten (Eugenol) hervor.
Subtraktive Reaktionen
Viele negative oder unerwünschte Aromastoffe - wie die während der Gärung gebildeten und potenziell problematischen Schwefelverbindungen Dimethylsulfid und Dimethyltrisulfid - werden durch die Aktivkohleschicht der Dauben, die beim Auskohlen der Fässer entsteht, mittels Adsorption entfernt. Negative Aromen und Geschmacksstoffe, die nicht durch die Holzkohleschicht beseitigt werden (weil es diese vielleicht gar nicht gibt, siehe Weinfässer), gehen meist durch Verdunstung verloren. Dies gilt auch für den nach faulen Eiern riechenden Schwefelwasserstoff, der zwar im Allgemeinen weniger für Whisky- als vielmehr für Branntweinproduzenten wichtig ist, aber im Falle der Verwendung von solchen Hefestämmen, die viel Schwefelverbindungen produzieren, dennoch ein ernstzunehmendes Problem darstellen kann. Einige unerwünschte Aromen lassen sich auch durch sogenannte Reduktionsreaktionen beseitigen. Dabei werden diese negativen Verbindungen durch chemische Reaktionen während der Reifung in etwas Erwünschteres oder zumindest weniger Schädliches verwandelt. Ein Beispiel ist die chemische Substanz Acrolein. Dieser Aldehyd gilt als sehr giftig und verursacht einen unangenehm bitteren, typisch beißenden Geruch. Acrolein wird während der Gärung aus Glycerin, einem Nebenprodukt der Hefe, durch Verstoffwechselung von bestimmten Milchsäurebakterien gebildet. Acrolein kann auch während des Destillationsprozesses durch die Hitzeeinwirkung auf eben jenes Glycerin entstehen und auf diese Weise ins Destillat gelangen. Glücklicherweise lässt sich Acrolein im Fass leicht mit Sauerstoff zu Acrylsäure oxidieren; die wohl wichtigste reduktive Reaktion, die während der Reifung stattfindet. Acrylsäure besitzt einen charakteristischen, essigähnlichen Geruch und kann mit Alkoholen weiter zu Ester reagieren. Acrolein wird im Whisky auch durch Reaktion mit Ethanol zu Acetalen abgebaut, die keine Fehlaromen im Whisky hervorrufen. Wie bereits erwähnt, kommt auch bei der Beseitigung von Acetaldehyd, der trotz des enorm niedrigen Siedepunktes von 20,2 °C während der Destillation in den New Make gelangen kann, der Sauerstoff zur Hilfe und oxidiert diese Substanz zu Essigsäure. So lässt sich durch subtraktive Reaktionen im Fass die Menge an Fehlnoten verringern und im Gegenzug die Konzentration an positiven, erwünschten Aromen steigern.
Füllstärke
Als Füllstärke bezeichnet man den Alkoholgehalt des Feinbrandes, mit dem dieser in die Fässer gefüllt wird. Dieser Alkoholgehalt hat ebenfalls einen wichtigen Einfluss auf die Reifung und damit auf die endgültige Qualität der gereiften Spirituose. Dies liegt daran, dass einige Verbindungen eher wasserlöslich und andere eher ethanollöslich sind. Geringere Füllstärken bedeuten, dass mehr Wasser im Destillat im Fass vorliegt. Dies begünstigt die Extraktion, also das Herausziehen von wasserlöslichen Komponenten wie verschiedene Zucker, Farbstoffe, hydrolysierbare Tannine und Glycerin aus den Dauben. Bei höheren Füllstärken hingegen werden mehr ethanollösliche Verbindungen wie Whiskylactone, langkettige Ester, Fette und Vanillin aus dem Holz extrahiert. Insgesamt hat sich gezeigt, dass eine höhere Füllstärke den Gehalt an Farbe, Feststoffen und flüchtigen Säuren, die während der Reifung entstehen, verringert. Wissenschaftlichen Untersuchungen zur Folge hat die Füllstärke auch Einfluss auf die Reifungsgeschwindigkeit des Whiskys, wobei ein höherer Füllgrad diese zu verlangsamen scheint. Eine nennenswerte Ausnahme ist die Esterbildung, die während der Reifezeit nicht von der Füllstärke beeinflusst wird. Umfangreiche Untersuchungen in Schottland ergaben, dass man mit einer Füllstärke von 63,5 Prozent eine konstante Reifezeit sowie einen ausgewogenen Geschmack des gereiften Whiskys erzielt. Diese Alkoholkonzentration stellt wohl den besten Kompromiss zwischen der Qualität und Geschwindigkeit der Reifung sowie den wirtschaftlichen Aspekten, wie Lagerung, Handhabung und Management der Fässer dar. Denn es gilt nicht nur die Füllstärke, sondern auch die Flüssigkeitsverluste des Fassinhalts während der Reifung zu berücksichtigen. Der Alkoholgehalt im Destillat bleibt nämlich nicht konstant, sondern verändert sich während der Fassreifung. Der Grund ist die Verdunstung, der sogenannte Angel’s Share. Während in wärmeren Gebieten (Kentucky) verhältnismäßig mehr Wasser als Ethanol verdunstet und dadurch der Alkoholgehalt im Fassinneren allmählich steigt, sinkt dieser in gemäßigteren Zonen (Schottland), da dort mehr Ethanol als Wasser über die Poren des Eichenholzes an die Umgebung abgegeben wird. Die sich verändernde Menge an Ethanol im Fass hat, wie oben beschrieben, Auswirkungen auf das Löslichkeitsverhalten der Holzextraktstoffe und Destillatbestandteile, und beeinflusst somit auch die Reifegeschwindigkeit sowie den Reifefortschritt des Whiskys. So schmerzlich aus wirtschaftlicher Sicht der Mengenverlust eines Whiskyfasses durch den Angel’s Share auch sein mag, wir brauchen die Verdunstung, um den richtigen Reifegrad eines Whiskys zu erreichen. Die Verdunstung trägt zur Entwicklung der Komplexität der gereiften Spirituose bei.
Ergänzend sei noch erwähnt, dass die Größe des Fasses ebenfalls einen wichtigen Faktor für die Reifung darstellt. Dies ist auf das Verhältnis von Oberfläche zu Volumen zurückzuführen. Je kleiner das Fass, desto größer ist das Verhältnis von Holzoberfläche zu Volumen der reifenden Spirituose; es findet also mehr Austausch zwischen beiden statt. Zudem können die Lagerbedingungen des Fasses– also die Art des Lagerhauses, ob Dunnage oder Racked Warehouse, sowie die dort herrschende Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Luftzirkulation – die Reifezeit und die Qualität eines Whiskys beeinflussen.
Ist älter immer besser?
Die Zeit ist auch eine wichtige Variable bei der Reifung von Whisky, denn während der Lagerung im Fass verändert sich der Charakter des Destillats. Der unreife, manchmal ungestüme Charakter eines New Make nimmt ab, während der aus dem Holz stammende Charakter des Fasses stetig an Boden gewinnt. Es kommt der Zeitpunkt, an dem ein perfektes Gleichgewicht zwischen Brennerei- und Fasscharakter herrscht. Bei dem sich die richtige Menge an Aromen, die vom Holz aufgenommen und durch chemische Reaktionen im Fass gebildet werden, und die aus der Spirituose stammenden Aromastoffe zu einer harmonischen Einheit vereinen. Dieser optimale Punkt hängt – wie oben beschrieben – von einer Fülle von Parametern ab. Das Alter ist lediglich ein weiterer Faktor, der den endgültigen Charakter des gereiften Whiskys beeinflusst. Ganz nach dem Motto: Das Alter ist eine Zahl, die Reifung ist der Charakter. Entgegen immer noch weitläufiger Meinung gilt das Alter auf dem Etikett einer Whiskyflasche nicht als alleiniger Indikator für die Qualität der Spirituose. Wie bei Weinen können Whiskys zu einem bestimmten Zeitpunkt ihren Höhepunkt erreichen und komplex, subtil sowie ausgewogen werden. Bleibt ein Whisky darüber hinaus noch länger im Fass, kann er zunehmend bitter und tanninhaltig schmecken, und sich im schlimmsten Fall sogar in „flüssige Eiche” verwandeln. War die Reifezeit hingegen nicht lang genug, ist das Produkt in der Regel ein wenig rau, metallisch und unausgewogen. Es bleibt zu viel von dem unausgereiften Charakter zurück. Das Alter ist also nur ein Teil der spannenden Geschichte vom New Make zum gereiften Whisky im Holzfass und nicht mehr. Zwei Dinge sind jedoch sicher: Alte Whiskys sind zunehmend seltener anzutreffen, und sie haben einen hohen Preis.
Fazit
Die Chemie der Reifung von Whisky ist ein umfangreiches und äußerst komplexes Thema. Je nach Umgebung, Art und Größe des Fasses, Lagertemperatur sowie Luftfeuchtigkeit laufen die zahlreichen Reaktionen in unterschiedlichem Maße im Holzfass ab. Die Eigenschaften des Fassholzes haben einen großen Einfluss auf den Reifungsprozess des Whiskys. Von besonderer Bedeutung ist die Menge und Zusammensetzung der Holzextraktstoffe, von denen sich verschiedene Aromastoffe direkt oder indirekt ableiten. Gerade der Abbau von Lignin (thermisch und/oder durch Ethanolyse) und die daraus folgenden Oxidationsprodukte haben aus sensorischer Sicht einen großen Stellenwert. Aber auch die anatomischen Merkmale des Holzes können den Reifungsprozess beeinflussen, insbesondere die Verdunstungs-, Oxidations- und Extraktionsraten. Alle Faktoren, die zu einer Veränderung dieser Eigenschaften führen, beeinflussen somit auch die Reifung des Whiskys.